Neuer Monat, neue SVV aber gleiche Thematik und alte Muster. Mit diesen Worten ist die Stadtverordnetenversammlung vom 24. Juni ziemlich treffend beschrieben. Bestimmende Themen waren die Finanzlage der Stadt und die Suche einzelner Fraktionen nach Lösungsansätzen sowie die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt und auch des Bürgermeisters. Doch der Reihe nach:Bericht des Bürgermeisters Der Bericht des Bürgermeisters fiel kurz aus und verwies allein auf die ausgeschriebene FSJ-Stelle im Jugendclub. Zudem erklärte der Bürgermeister, dass der Kredit für die Wiesenschule, der innerhalb der letzten Sitzung der Stadtverordneten bewilligt wurde, nun verhandelt worden ist und man ein Angebot eines Kreditinstituts angenommen habe. Der Kämmerer, Herr Wolter, teilte mit, dass die Übernahme des Gebäudes der Pestalozzi-Schule mittels Erbpacht aufgrund der finanziellen Situation der Stadt nicht möglich sei. Man prüfe nun, wann ein neuer Schulstandort notwendig sei und inwieweit die Stadt ihren pflichtigen Aufgaben im Bereich Kita und Schule dann nachkommen könne.Zur Erinnerung: noch Anfang 2017 ging man offensichtlich in der Stadtverwaltung davon aus, dass bereits ab 2019 eine vierte Grundschule benötigt wird, als Standort wurde die Pestalozzischule auserkoren. Das Gebäude dient momentan als Übergangslösung für die Wiesenschüler, solange deren Schule saniert wird. Dafür wurde das Gebäude umfangreich auf Kosten der Stadt instandgesetzt. Kurz vor Beginn der Nutzung (im Übrigen auch noch vor der Bürgermeisterwahl) wurde der mit dem Landkreis ausverhandelte Erbpachtvertrag zur langfristigen Nutzung seitens der Stadt plötzlich abgelehnt und durch einen deutlich teureren Mietvertrag, dafür mit kürzerer Laufzeit, ersetzt. Offensichtlich wusste man also bereits vor der Wahl, wie schlecht es wirklich um die Finanzen der Stadt bestellt ist. Die gerade mal 3 Jahre alte Prognose über die Notwendigkeit einer vierten Grundschule war scheinbar auch nicht sehr akkurat.Einwohnerfragestunde:Im Rahmen der Einwohnerfragestunde berichtete Tino Seliger davon, dass auf der privaten Facebookseite des Bürgermeisters beleidigende und herabwürdigende Kommentare gegen Erik Stohn zu lesen waren, die vom Bürgermeister weder gelöscht noch beanstandet wurden. Es stelle sich deshalb die Frage, ob Herr Raue mit den Aussagen übereinstimme. Herr Raue entgegnete entnervt, dass er nicht vorhabe, in dieser Runde über seine private Facebookseite zu diskutieren. Dieses Thema sollte allerdings im weiteren Verlauf der Sitzung noch einmal aufgegriffen werden. Anfragen der Stadtverordneten: Im Vorfeld der Versammlung wurden der Verwaltung der Stadt durch die SPD schriftliche Anfragen übermittelt. Diese hatten zum Ziel, die finanziellen Möglichkeiten der Stadt durch Einnahmen aus Pacht oder Verkauf zu erweitern. Herr Raue erklärte, dass die in Frage kommenden Waldflächen zu gering, zu zerstückelt und insgesamt nicht attraktiv für eine Vermarktung seien. Stadteigene Grundstücke wolle er nicht „versilbern“. Auf die Frage nach Flächen, die nicht verpachtet, aber aktuell gewerblich genutzt werden, ohne eben bezahlt zu werden, ging der Bürgermeister nicht ein. Vielmehr wirkte sein Vortrag zu den Anfragen lustlos bis genervt und gipfelte in der Einlassung, die gewünschten Informationen seien in den Jahresabschlüssen zu finden. Da die Abschlüsse nach etlichen Jahren aber immer noch nicht genehmigt sind, finden wir diese Anmerkung ziemlich unverschämt. Eine Ausschreibung von Agrarflächen bezeichnete der Kämmerer als nicht erstrebenswert, da der aktuelle Pächter auch unattraktive Flächen übernommen habe und sich die Situation durch eine Neuausschreibung nicht verbessern würde. Frau Böttcher (DIE LINKE) bemängelte anschließend einen Verfahrensfehler bei der abgelehnten Wahl Benjamin Hartwigs in den Jugendbeirat. In gewohnt überheblicher Manier entgegnete der Bürgermeister, dass die Frist dazu ja bereits verjährt sei und er auch keine Veranlassung zur Beanstandung sehe. Dieser Einschätzung schloss sich Frau Böttcher nicht an und kündigte an, diesen Vorgang der Kommunalaufsicht vorzulegen.Einigen Diskussionsstoff hielt auch das zu verabschiedende Haushaltssicherungskonzept bereit. Falk Kubitza (SPD) vermisste insgesamt Ideen der Stadtverwaltung sowie den Mut und den Willen, neue Wege zu gehen und kooperativ (auch mit dem Landkreis) zu arbeiten. Während der Kämmerer die Verantwortung von sich wies, da er nicht für die Lösung der Probleme verantwortlich sei, wurden die Vorschläge der SPD von Teilen der Fraktionen FJB, WsJ und AfD belächelt. Dort fühlt man sich offensichtlich auch nicht verantwortlich für die Lösung der Finanzprobleme der Stadt – einen Redebeitrag zu dem Thema gab es jedenfalls aus keiner der drei Fraktionen. Man gibt sich dort offensichtlich damit zufrieden, entsprechende Vorschläge der anderen Fraktionen abzulehnen… Maritta Böttcher (DIE LINKE) kritisierte in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Finanzlage der Stadt die eigenmächtige Entscheidung des Bürgermeisters, die Kita-Beiträge während der Corona-Pandemie auszusetzen. Eine Absprache mit den Stadtverordneten hätte Frau Böttcher als wünschenswert und sinnvoll erachtet. Schlussendlich wurden sowohl Haushaltssicherungskonzept und Haushaltssatzung trotz Ablehnung durch SPD und Die Linke angenommen. Die Abgeordneten des BBJ haben sich trotz ihrer Enttäuschung über die Vogel-Strauß Mentalität seitens der Kämmerei dafür entschieden, den Haushalt nicht abzulehnen, sondern sich mehrheitlich zu enthalten. Dort schiebt man zwar die Verantwortung von sich, Impulse für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzlage werden von der Mehrheit in der SVV aber beharrlich abgeschmettert. Außerdem hätte eine Ablehnung die Situation für die Stadt noch schwieriger gemacht. Wir wollen nach vorne schauen und die Stadt weiterhin an die noch ausstehenden Jahresabschlüsse erinnern, von der sich die Kämmerei ja einen abschließenden Überschuss von 11 Millionen Euro verspricht – daran wird sich Herr Wolter messen müssen. Außerdem werden wir weiter fordern, den Haushalt 2021 nicht erst in der Mitte des Jahres fertigzustellen, sondern zu Beginn – also so, wie es eigentlich gedacht ist und wie es in anderen Kommunen auch funktioniert. Der Antrag der SPD zur Öffentlichkeitsarbeit der Stadt zielte auf die verbesserte Übermittlung von Informationen an die Presse und auch an alle Fraktionen der SVV zu Terminen wie beispielsweise Baufreigaben, Eröffnungen usw. ab. Auch Pressemitteilungen der Stadt sowie relevante Mitteilungen in den sozialen Netzwerken sollen den Stadtverordneten zügig zur Kenntnis gelangen. Dem Beschluss wurde durch die Stadtverordneten mehrheitlich zugestimmt.In diesem Zusammenhang hakte Erik Stohn (SPD) nochmal nach, ob der Bürgermeister mit Blick auf seine private Facebookseite der Meinung sei, das Mäßigungsgebot gelte in diesem Fall nicht und ob die Untätigkeit des Bürgermeisters in Bezug auf Hasskommentare den Schluss zulasse, solche Äußerungen decken sich mit der privaten Meinung des Bürgermeisters. Herr Raue verzichtete auf eine Antwort, woraufhin Erik Stohn erklärte, dass er damit davon ausgehe, dass die angesprochenen Inhalte die Zustimmung des Bürgermeisters finden. Beim BBJ teilen wir diese Befürchtung. Im letzten Tagesordnungspunkt beantragte wiederum die SPD die Neuberechnung der Pacht für städtische Flächen im Gewerbegebiet. Wie vor kurzem bekannt wurde, werden dort seit längerer Zeit Flächen von einem Unternehmen genutzt, ohne dafür Pacht zu zahlen. Trotz dramatischer Haushaltslage wurde auch dieser Antrag von FJB, WsJ, AfD sowie Bauernverband/CDU abgelehnt. Frau Böttcher (DIE LINKE) gab einigermaßen empört zu bedenken, dass damit die Mehrheit der Stadtverordneten die herrschende Praxis billige, obwohl sie nicht rechtmäßig sei und der Stadt damit Einnahmen entgehen. Nicht erst seit dieser Sitzung, aber insbesondere an diesem Abend werden dem Zuschauer die Auswirkungen der Mehrheitsverhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung zunehmend deutlich: die Mehrheit von FJB, WsJ, AfD und Bauernverband / CDU lässt die meisten Initiativen von SPD, LINKE und BBJ ins Leere laufen. Ein sachlicher Austausch über die tatsächlichen Inhalte findet kaum oder gar nicht statt. Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung (Danny Eichelbaum, CDU), von dem wir im BBJ eigentlich eine Vermittlerrolle zwischen den einzelnen Fraktionen erwarten, kommt dieser Rolle ganz offensichtlich nicht nach. Teilweise drängt sich sogar der Eindruck auf, dass ein abschließender Austausch bis zur vollständigen Klärung von Sachverhalten gänzlich unterbunden wird. Gleichzeitig werden die meisten Vorlagen der Verwaltung ohne kritische Nachfragen „durchgewunken“. Sofern es dazu Absprachen und Diskussionen gibt, finden diese also jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit statt, wie es eigentlich vorgesehen ist. (vielleicht tatsächlich vor Beginn der Versammlung im Dienstzimmer des Bürgermeisters, wie unlängst gemutmaßt?

?

)In jedem Fall sprechen die Mimik und Gestik mancher Abgeordneter Bände, vom Tonfall insbesondere des Bürgermeisters ganz zu schweigen. Wir können allen interessierten Jüterbogern nur empfehlen, ebenfalls die Stadtverordnetenversammlung zu besuchen um sich ein Bild von der Situation zu machen und zu überlegen, welches Verhalten sie von ihren gewählten Vertretern erwarten. Solange die Stadtverordneten noch in der Wiesenhalle tagen, bieten die bessere Beleuchtung und freie Sicht dazu bessere Gelegenheit als der altehrwürdige Sitzungssaal im Rathaus.